Wenn wir Pianisten sehen, die nach Noten spielen, wundern wir uns oft, wie sie während des Spiels so schnell umblättern können, ohne aus dem Spielfluss zu geraten. Wir betrachten es als selbstverständlich, wenn sie nach dem Ende einer Seite umblättern. Wie geht das?
Wenn wir dann selbst am Klavier nach Noten spielen und plötzlich in dieselbe Situation geraten, müssen wir auch umblättern, ohne dass der Spielfluss ins Stocken gerät. Schliesslich spielen meistens auch beide Hände gleichzeitig und wir suchen nach einer Lösung. Im folgenden gebe ich dir 5 Tipps, wie das in der Praxis konkret aussieht.
Der Lehrer blättert um
Im Unterricht, wenn der Lehrer daneben sitzt macht er das normalerweise. Der Schüler spielt das Stück und er liest die Noten mit und blättert, wenn die Seite zu Ende ist.
So mache ich das übrigens auch, wenn Schüler zu mir in den Unterricht kommen. Es ist allerdings schon mal passiert, dass Schüler so schön spielten, dass ich die Stelle zu blättern verpasst habe. Das machte aber dann nichts, weil die Schüler meistens schon so fit waren im Spiel, dass sie dann selbst geblättert haben.
Pia Muse
Die Situation allein am Klavier
Wenn du alleine zu Hause übst, musst du natürlich selbst die Seiten umblättern. Da kann es dann natürlich passieren, dass man kurz das Stück unterbrechen muss, je nachdem, wie fortgeschritten du schon im Üben bist. Auch gibt es Situationen, dass nur eine Hand weiter spielt, während die andere blättert. Wenn man in der anderen Hand Töne zu halten hat, kann man etwas mit dem Pedal schummeln, so dass das Klangvolumen erhalten bleibt.
Du kannst auch die Ecken, wo umgeblättert wird, schon etwas vorbehandeln, indem du sie leicht nach aussen wölbst, falls die Noten neu sind. Bei alten Noten braucht man das meist nicht, da schon mehr Luft zwischen den Seiten war.
Wenn du partout nicht umblättern kannst, weil an der Stelle so viele Noten gespielt werden müssen und du es nicht rechtzeitig schaffst die Töne zu treffen und aus dem Tempo gerätst, kannst du dir die nächste Seite auch kopieren und so daneben legen, dass du einfach weiter spielen kannst. Das machst du solange bis du wieder an eine Stelle kommst, wo du blättern kannst. Oder das Stück ist zu Ende.
Das Umblättern im Konzert
Auf Konzerten gibt es Umblätterer, die stehen einem meist bei kammermusikalischen Vorträgen zur Verfügung, oder man bringt selbst einen mit, der Noten lesen kann. Dies ist im klassischen Bereich gang und gebe und auch nichts Schlimmes, denn es geht dabei um die wortgetreue Wiedergabe des Notentextes, den man nicht verändern darf.
Da man bei der Begleitung wirklich ganz genau mit dem meist Soloinstrument zusammenspielen muss, darf man sich am Ende der Seite keine Temposchwankungen leisten, weil man das dann hören könnte.
Stücke auswendig lernen
Zu guter Letzt kann ich dir nur wärmstens ans Herz legen, die Stücke auswendig zu lernen. Du wirst dabei bemerken, dass du viel freier spielst und das Stück eine neue Stufe erreicht. Du kannst dich mehr auf das Musikalische konzentrieren und insgesamt fliessender spielen. Falls du noch nie auswendig gespielt hast, empfehle ich dir, es einfach mal zu versuchen. Dabei kannst du mit einem kurzen, leichten Stück beginnen und schauen, wie es sich im Vergleich anfühlt. Es ist aber beides richtig und macht keine Aussage darüber, wie musikalisch jemand ist.
Mehr zu diesem Thema und wie sich die Tipps auf den Einzelnen umsetzen lassen, das erfährst du direkt in meinen Online-Klavierkursen oder in einer Einzelsitzung.
Profis blättern übrigens ohne nachzudenken. Sie sind so vertieft in die Musik und in ihren Spielfluss, dass das Umblättern einfach nur eine Notwendigkeit darstellt, auf die sie beim Spiel nicht fokussiert sind.
Bericht aus der Meisterklasse Klavier
Auf einem Konzert noch zu meiner Studienzeit spielte Prof.G.Sebok ein Mozart Klavierkonzert mit Orchester in der Berliner Philharmonie mit Noten auf seinem Pult und hat selbst umgeblättert. Er spielte dabei einwandtfrei, brilliant und sehr fliessend. Dies kommt wirklich sehr selten vor, da Klavierkonzerte meist auswendig gespielt werden.
Multitasking beim Üben
Ich hatte Situationen – und diese Situationen kennen Musiker, die täglich 6-12 Stunden am Klavier üben, dass ich manchmal beim Üben mehrere Dinge gleichzeitig getan habe. Den Morgenkaffee trinken, telefonieren, an bevorstehende Termine denken und natürlich auch umblättern (das kleinste Übel). Das klingt jetzt etwas komisch, wenn ich so etwas schreibe, aber der eine oder andere Profi-Pianist kann das sicherlich bestätigen. Schreibt mir hierzu einfach eigene Erfahrungen unten in die Kommentarbox.
Fazit
Als kurzes Fazit möchte ich zusammenfassend wiedergeben: Das Umblättern sollte den Spielfluss nicht verhindern. Das geht am besten, wenn man das Stück auswendig spielen kann. Denn beim Klavierspielen sollte man sich stets aufs Musikalische konzentrieren und nicht auf Äusserlichkeiten. Diese kann man auch geistig in der Stille studieren.